In allen Bundesländern gibt es Rechtsverordnungen zur Eindämmung des Corona-Virus. Bestandteil der Rechtsverordnungen sind Einschränkungen der Freiheitsrechte, wie das z.B. Demonstrationsrecht. Landesweit entfernt die Polizei im öffentlichen Raum angebrachte Protestplakate oder abgestellte Schuhe. Was sich die Protestierenden auch haben einfallen lassen, um dem Infektionsschutz gerecht zu werden und dennoch ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrzunehmen, sie scheiterten an einer autoritär agierenden Ordnungsmacht.

Bisher werden auch in Niedersachsen Demonstrationen (Versammlungen mit mehreren Menschen in freien mit einer bestimmten politischen Botschaft) generell verboten. Wenn es nach Pistorius geht, soll dies bis zum 04. Mai festgeschrieben werden. Immerhin ein Eingriff in unser Grundgesetz per Landesverordnung.

Das alles, um unser kaputtgespartes Gesundheitssystem zu entlasten („flatten the curve“) und die körperliche Unversehrtheit an oberste Stelle zu stellen. Ein Widerspruch, aber sicher kein Zufall, ist die Tatsache, dass Freiheitsrechte an dieser Stelle gerne geopfert werden, nicht aber die Eigentumsrechte, um z.B. mit staatlichen Ordnungsmaßnahmen die Produktion von dringend nötiger Schutzausrüstung in die eigene Hand zu nehmen. Ein „Klassengeschmäckle“ mit gefährlichen Folgen.

Gesundheit ist ein Recht und kein Geschäft

Es bedarf hier sicher keinen langen Ausführungen, um zu erläutern wie sehr das Gesundheitssystem mittels Fallpauschalen, Unterfinanzierung und Minderausstattung von Personal, Geräten, etc. seit Jahren kaputtgespart und durch Verwertungslogik verstümmelt wird. Hier nur einige Beispiele:

  • Seit 1991 hat Deutschland rund 500 Krankenhäuser geschlossen und ca. 200.000 Betten abgebaut, während die Patientenzahlen gestiegen sind. 
  • In Deutschland kommen 18 Vollzeitpfleger*innen auf 1000 zu Pflegende. Mittlerweile bringt sogar die ARD-Beiträge, die zeigen wie dieser Personalmangel tötet. 
  • Zwischen 10. bis 20.000 Menschen sterben jedes Jahr an Krankenhauskeimen, aufgrund mangelnder Hygiene. 

Trotzdem sieht der Bundeshaushalt für 2020 vor, das Gesundheitsbudget um 5% zu kürzen. Das ist in etwa der Wert, indem die Aktiengewinne der privaten Asklepius-Kliniken jährlich zunehmen. Für diese „Versäumnisse“ oder besser für diese – verbrecherische, weil tödliche – Klientelpolitik sollen wir also nun in Zeiten einer Pandemie mit unseren Freiheitsrechten bezahlen.

Ein ausfinanziertes Gesundheitssystem in öffentlicher Hand hätte sicherlich nicht die volle Wucht einer Pandemie aufgefangen. Wir stünden ihr aber wesentlich wehrhafter gegenüber. Gegen Krankenhäuser, die viele gesund, statt wenige reich machen, ist auch nichts zu sagen. Das will aber erkämpft sein.

Demonstrationen sind erkämpftes Recht und keine Kür

Freiheitsrechte sind die DNA linker Politik und die Voraussetzung dafür, dass die freie Entwicklung des/r Einzelnen Bedingung für die freie Entwicklung Aller ist. Ohne sie lässt sich kein sozialer Fortschritt erstreiten, das belegen die Kämpfe der Geschichte. Sie gehören daher unbedingt geschützt, gelebt und ausgeweitet. 

Eine Einschränkung der Freiheitsrechte ist möglich und manchmal sinnvoll. Die gänzliche Abschaffung, wie man sie de facto derzeit auf den Straßen beobachten muss, ist jedoch ausgeschlossen. Sie obliegen dem besonderen Schutz des Grundgesetzes, Artikel 8. Jüngst wurde dies an einem Beispiel aus Gießen vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. 

Freiheitsreche sind konstitutiv für unsere Demokratie. Denn ohne sie, wären wir unmündige Objekte gegenüber dem Staat. Demonstrationen sind daher keine Ansammlungen wie jede andere, keine Grillparty im Park und auch kein Fußballspiel.

Klar und nachvollziehbar ist zum Beispiel, dass größere Menschenversammlungen aufgrund der sich weiter ausbreitenden Coronapandemie derzeit verboten sind. Dass nun aber alle Demonstrationen untersagt werden, selbst solche unter Wahrung des Mindestabstandes und in kleineren Gruppen, ja sogar das Halten eines Transparents zu zweit, ist die Abschaffung der Versammlungsfreiheit.

Niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik sind Grund- und Freiheitsrechte so massiv und flächendeckend eingeschränkt worden wie derzeit. Selbst gegen die 1968 beschlossenen Notstandsgesetze konnte noch demonstriert werden. Doch weil die nun verfügten Verbote vorgeblich der Rettung von Menschenleben dienen, ist die Bereitschaft in der Bevölkerung groß, diese mitzutragen.

Die Freiheitsrechte werden hier auf zwei Ebenen eingeschränkt. Zum einen durch direkte Verordnungen sowie Bußgeldkataloge, oft am Parlament vorbei und über Nacht. Zukünftig wohl auch mit Handy-App. Dieser soll zwar freiwillig sein. In einer Klassengesellschaft wird hier aber die Frage zu stellen sein, wer von den Datenerhebungen profitiert und inwieweit beispielsweise es den Arbeitgebern gestattet sein wird, Lohnabhängige zu solch einer App zu zwingen, wenn es der Gesundheit im Betrieb angeblich nützt? 

Die zweite Ebene der Freiheitseinschränkung ist die medial vermittelte Selbstdisziplinierung der Bevölkerung. Getreu nach der katholischen Kirche, in der jeder Sünder vor der Hölle auf der Hut sein muss, ist nun jeder Passant im öffentlichen Leben ein potenzieller Gefährder. Denunzianten „falschen Benehmens“ sind dieser Tage oft gesehen. 

Selbstredend ist die Rücksichtsname insbesondere gegenüber Risikogruppen und zum eigenen Schutz ernst zu nehmen. Wer aber die Beschränkung der Freiheitsrechte zur Eindämmung von COVID-19 kritisiert bekommt nicht selten den Vorwurf, die Gefährlichkeit des Virus zu gering zu schätzen. An der einen oder anderen Stelle wird auch schon mal unterstellt, es würden Tote billigend in Kauf genommen. Das ist zu oft, böswilliger Unsinn. Er tritt besonders sichtbar zu Tage, wenn die Kritik gegen Leute angebracht wird, die gegen den Mord durch Krieg und für die Rettung von Geflüchteten demonstrieren.

Eigentum ist dem Allgemeinwohl verpflichtet

Wo die Freiheit „dem Bürger“ unverhältnismäßig genommen werden soll, soll die Freiheit auf Eigentum weitestgehend unantastbar bleiben. Dieser Eindruck zwingt sich auf, wenn ordnungspolitische Maßnahmen zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung unterbleiben. Zum Beispiel über die staatliche Lenkung von Produktion für Schutzkleidung (PSA) oder durch strenge Arbeitsschutzauflagen innerhalb gesellschaftlich relevanter Betriebe. Hürden zur Umsetzung solcher Maßnahmen wurden mittlerweile zwar – zeitweilig – abgeschafft. Die entsprechenden DIN-Normen für Schutzausrüstungen sind seit Ende März 2020 kostenlos zugänglich und mit dem Infektionsschutzgesetz des Bundes wurde erstmals die Option ergriffen, dass die privaten Eigentumsrecht an einem Patent nicht greifen sollen, wenn die «Erfindung im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt benutzt werden soll». Im Großen und Ganzen sollen Kapitalinteressen von Großunternehmen aber geschont werden. Schon jetzt ist sicher, die Pharmaindustrie und Lieferdienste wie Amazone sind Krisengewinner. 

Aber auch richtige Erkenntnisse können Krisengewinner sein. Denn: Der Markt regelt eben doch nichts. Die Schuldenbremse steht in Gegnerschaft zur öffentliche Daseinsvorsorge. Systemrelevante Berufe wie Pfleger*innen, Kassierer*innen etc. gehören endlich menschwürdig bezahlt. (usw.) Wie die bisherigen Maßnahmen gegen COVID-19 einen Klassencharakter haben, so wird dies auch für die Politik nach der Krise der Fall sein. Und wie die bisherige Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen ist, ist es auch der Ausgang dieser Krise. Gemeinsam haben wir es in der Hand. Erkämpfen wir uns also unsere Grundrechte zurück und stellen wir gemeinsam die Frage: Wer bezahlt die Krise? 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.