„Der Kapitalismus hat in den Jahrhunderten seiner Existenz unermesslichen Reichtum hervorgebracht und in vielen Ländern den Wohlstand großer Teile der Bevölkerung erhöht. Zugleich bleiben Milliarden Menschen von diesem Reichtum ausgeschlossen. Die soziale Ungleichheit ist größer geworden, die Kluft zwischen Armut und Reichtum klafft immer weiter auseinander. Das gilt national und erst recht international.“  (Programm DIE LINKE, Erfurt 2011)

Nach dem vermeintlichen Sieg von 1990 steckt der neoliberale Kapitalismus, spätestens seit 2008, in einer ökonomischen und in einer zunehmend tiefen Hegemoniekrise. Mehr und mehr Menschen begreifen, dass mit den alten Dogmen („privat vor Staat“, „Wettbewerb“, „Eigenverantwortung“, „der freie Markt regelt alles“) immer nur die Gleichen profitieren, während eine wachsende Mehrheit zunehmend sozial degradiert wird. Die alten „Volksparteien“, welche sich nach wie vor nach diesem Dogma richten, verlieren an Vertrauen. Die neoliberale Krise wird so auch zu einer Krise des parlamentarischen Systems. Der gestiegene Unmut in der Bevölkerung äußert sich einerseits im Erstarken der Rechten (insbesondere AfD), denen fälschlich die Vertretung der „kleinen Leute“ zugemessen wird, andererseits in Massenprotesten z.B. bei FFF, Seebrücke oder Unteilbar mit teilweise kapitalismuskritischen Ansätzen. Warum ist es uns bisher nicht gelungen, als echte linke Alternative wahrgenommen zu werden, die dem Unmut einen stärker progressiven Impuls geben kann? 

DIE LINKE hat sich mit ihrer Gründung vor allem als Opposition zur Agenda 2010, Friedenspartei, sowie als „Kümmererpartei“ im Osten profilieren können. Die damalige Situation machte diese Rolle der Partei bitter nötig, belohnt wurde sich auch mit entsprechenden Wahlergebnissen. Auf die große Hoffnung, folgte allerdings Ernüchterung. Zu klein waren die Erfolge gegen die Agenda 2010 – Politik, zu groß der Widerspruch zwischen den Erwartungen und der realen Regierungspraxis in einigen ostdeutschen Landesregierungen unter linker Beteiligung. Dieses Kapitel ist innerhalb der Partei weitgehend unaufgearbeitet und verdient unbedingt eine sorgfältige Analyse. Sind wir doch sonst dazu verdammt, nichts aus der Vergangenheit zu lernen. Für heute lässt sich sagen: Gemessen an der Tiefe der sozialen Widersprüche und der Dimension der verbreiteten politischen Unzufriedenheit, ist das bessere Mitverwalten und der Kampf für soziale Abfederungen zunehmend fehl am Platze. Die Partei DIE LINKE ist dabei in den vergangenen Jahren nicht wesentlich systemkonformer geworden (siehe Regierungsbeteiligung MeckPomm 1998, Berlin 2002), sondern als parlamentarische „Kümmererpartei“ stagniert, während sich die gesellschaftlichen Widersprüche sehr dynamisch weiterentwickeln. Wie kommen wir als heute zur nötigen Gegenmacht und damit verbunden zum demokratischen Sozialismus?

Die Aufgabe der Partei in der aktuellen historischen Etappe ist nach meiner Auffassung im Erfurter Programm hervorragend gefasst: „Aus Unmut aktive Gegenwehr machen“. Gegen das neoliberale Gebot des „Privaten“ und dem Postulat des Endes der Geschichte, gilt es wie im Erfurter Programm weiter gefasst:  in Programmatik, Menschenbild und Aktion für die Gesellschaftlichkeit des Menschen und das Menschliche des gemeinsamen gesellschaftlichen Eingreifens, Aufzuklären und zu kämpfen. Kurz gesagt, Menschen zum kollektiven bewussten politischen Handeln, als das eigentlich Menschliche, aufzurichten. Diesem Zweck muss das Handeln der Partei überall dienen –in Parlamenten, bei Demos, am Arbeitsplatz, Schule, etc. – zusammen mit Gewerkschaften, Bewegungen, Vereinen, Verbänden etc.. Ein radikales Reformprogramm wie wir es fordern (Abrüstung, Rekommunalisierung, starke Arbeitszeitverkürzung inkl. Lohnausgleich, keyns. Investitionspolitik., Gleichstellung, Antirassismus/-faschismus) ist dabei keine Frage von Milieus, sondern involviert die gesamte Klasse. Das wirken für soziale Verbesserungen, geht nicht ohne das Wirken gegen klassenspaltende Ideologien (wie Rassismus, Sexismus etc.) und umgekehrt. Kurzum: Soziale Verbesserungen und kulturelle Emanzipation bilden eine Einheit solidarischer Entwicklung.

Gemeinsam müssen wir uns daher fragen, wie die aktuelle gesellschaftliche Lage zu verstehen ist und wie wir gemeinsam welche gesellschaftlichen Kämpfe führen wollen. Ich meine, dass die Friedensfrage an erster Stelle steht. Gemeinsam müssen wir die imperialistischen Bestrebungen analysieren und strategisch weitsichtig und eng koordiniert mit der Friedensbewegung vorgehen. Skandalisierend auf Tagespolitik zu reagieren, wird dem Ernst der Lage nicht gerecht. Im Sozialen müssen wir klassenverbindend für radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, forsche Umverteilung und die Eigentumsfrage über die öffentliche Daseinsvorsorge hinaus kämpfen. Dafür sollten wir auch mutiger die solidarische Auseinandersetzung mi den Gewerkschaften (weck mit dem Ko-Management!) suchen. In der Ökologie müssen wir im scharfen Kontrast zu den Grünen, für eine systemüberschreitende Einheit von Sozialem, Frieden und ökologischer Nachhaltigkeit stehen. Gesellschaftliche Verfügung über z.B. Energieproduktion, Investition in Schienen- und Nahverkehr sowie der Förderung von Arbeitsplatzen durch Erneuerbaren Energien, zu Lasten der Großverdiener, statt bescheidenem Konsumverzicht. Gegen Rechts müssen mittels radikaler sozialer Reformen den Sumpf trocken legen, betonen dass ihre Sündenbockerrei eine Ablenkung von eben diesen ist und mit unserem mit egalitärem Menschenbild den Rassismus verächtlich machen. Für das alles müssen wir die Schuldenbremse knacken und zwar international-solidarisch, für die gesellschaftlich sinnvolle Verwendung des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums.

„Eine entscheidende Frage gesellschaftlicher Veränderung ist und bleibt die Eigentumsfrage. Wirtschaftliche Macht bedeutet auch politische Macht. Solange die Entscheidungen großer Unternehmen sich an den Renditewünschen statt am Wohl der Allgemeinheit orientieren, ist Politik erpressbar und Demokratie wird ausgehöhlt. Eine soziale, friedliche, umweltgerechte, demokratische Gesellschaft erfordert, dass die ökonomische Macht derer, die an Armut, Ausbeutung, Naturzerstörung, Rüstung und Kriegen verdienen, zurückgedrängt und überwunden wird.“ (Programm DIE LINKE, Erfurt 2011)

An der Strategiekonferenz in Kassel, welche Krise und Perspektive der Partei vertiefen soll, sollten wir uns beherzt, solidarisch und streitlustig beteiligen. Lasst uns zudem dafür sorgen, dass Strategiedebatten keine Ausnahmeerscheinung bleibt, sondern zur Normalität wird. Die besten Ideen kommen nicht immer von „oben“ oder „qua Amt und Würden“: Eine Strategie kann zudem noch so gut formuliert sein. Ist sie in der Partei nicht geteilt, ist sie wirkungslos.

Thorben Peters

Fotocredit: Maik Brückner

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