Unsere Bildungsarbeit generell, so auch im Landesverband und in politisch fordernden Zeiten, soll und muss sich an der politischen Praxis orientieren. Sie ist „natürlicher“ Bestandteil des Aktivitätsspektrums der Partei, Teil unseres politischen Kampfes. 

Warum? Nehmen wir die nächsten zwei Jahre hier in Niedersachsen. Wir haben ein Jahr, um die Landespartei in allen Teilen fit zu machen für das Jahr 2021 mit Kommunalwahlkampf und Bundestagswahlkampf. Wir wissen, dass wir z. Zt. diese Fitness – also politische Stärke – nicht haben. 

Wir wissen auch, dass eine starke sozialistische Linke mehr denn je gebraucht wird in diesem Land. Aber wie definieren wir uns als sozialistische Alternative, die für die Menschen glaubwürdig und greifbar ist? Sind wir in der Lage, mit Argumenten und unserer Praxis vor Ort gegen grüne und sozialdemokratische Kapitalismus-Modernisierer nicht nur zu bestehen, sondern auch Begeisterung zu entfachen, weil wir es sind, die eine wirkliche Zukunftsperspektive jenseits des Neoliberalismus aufweisen?

Es gibt die Chance, diese Klarheit in den eigenen Köpfen zu schaffen. Wir werden uns nicht erstmal ein Jahr in politische Bildungscamps zurückziehen, sondern wir lernen gleichzeitig immer aus unserer Arbeit und aus der Bildungsarbeit. Viele haben schon festgestellt, auch z. B. während des Marx-Seminars, dass ihre Arbeit vor Ort und ihre politische Bildung sich gegenseitig befruchten.

Bei dem angesprochenen Zwei-Jahres-Zeitraum haben wir also ein gezieltes Parteientwicklungsprogramm vor uns, das die Stärkung der Landespartei auf allen Ebenen zum Ziel hat, von dem kleinsten Kreisverband bis zum Landesvorstand. Wahlen spielen hier natürlich eine wichtige Rolle. Es wäre aber ein gründliches Missverständnis, wenn politische Bildung auf diesen Zusammenhang reduziert würde. Und so ist auch nicht unser Parteiverständnis. Wahlen sind wichtig, sehr sogar. Aber wir sind keine Wahlpartei. Es geht uns ja um möglichst viel gesellschaftlichen Einfluss. Und das vor allem bei denen, die sich auf der Verliererseite des Systems sehen oder sich davon bedroht fühlen.

Wenn wir uns auf ein solches gesellschaftliches Spektrum orientieren, dann haben wir ein weites Betätigungsfeld mit etlichen Bewegungen. Bei diesen gesellschaftlichen Gruppen gibt es das Potential, dass sie in immer kürzerer Folge in Widerspruch zu den Interessen des Kapitals, der wirklich Herrschenden geraten. Das ist nicht erst so, seit wir als Linke die Themen Pflege und Wohnen aufgegriffen haben. Es sind aber gute Beispiele dafür, dass wir gesellschaftliche Probleme erkannt haben und Teil von politischen Bewegungen geworden sind. 

Aber was sind wir denn nun? Wahlpartei oder Bewegungspartei? Wir müssen beides sein! Und jeden Wahlkampf auch nutzen, um unsere Politik bekannter zu machen, zum Mitmachen einzuladen. In jeder Bewegung, in der wir als Linke natürlich erkennbar sein müssen, solidarisch mitarbeiten. Aber wir machen da gute politische Arbeit, wenn wir eine sehr aktive Rolle spielen und man auf unsere linke Meinung vertraut. Dabei treten wir nie als Besserwisser auf, verstehen den solidarischen Diskurs mit anderen, die vielleicht nicht unserer Meinung sind. Politischen Einfluss in Bewegungen bekommen wir i. d. R. durch eine gute Mischung aus politischer Klarheit, eigener Überzeugtheit und sympathischem Auftreten. Es versteht sich von selbst, dass hier auch gute Voraussetzungen z. B. für die nächsten Kommunalwahlen geschaffen werden.

Die Klarheit über unsere strategische Ausrichtung ist entscheidend. Bei der Schwerpunktsetzung unserer Arbeit, und es sollte eine kollektive Arbeit sein, müssen wir immer ein Bewusstsein für Klassenorientierung haben – also die, die (potentiell) auf der Verliererseite stehen. 

Es ist nicht leicht, von der eigenen Lage auf die gesellschaftliche Situation und deren Veränderbarkeit zu schließen. Dafür ist zwingend eben nicht nur die praktische Erfahrung, sondern auch politische Bildung nötig. Bildung wiederum in einem kollektiven Prozess, der aber zur individuellen Selbstermächtigung führt. Genossinnen und Genossen, die sich ihre Lebenswirklichkeit und die ihrer Nachbarn (z. B. wg. Hartz IV) aufgrund ihrer Schulung erklären können. Politische Bildung kann einen gewichtigen Beitrag dazu leisten, dass unsere Strukturen stabiler werden, der Grad der Aktivität unter den GenossInnen sich erhöht. Sie bietet einen Raum zur solidarischen Diskussion. Es geht tatsächlich darum, sich gemeinsam weiterzuentwickeln, sich zu stützen und diese Partei dabei voranzubringen.   

Arnold Neugeborn

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