Niemand wird bestreiten, dass die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten ist. Doch nachdem es in Rheinlandpfalz zu einem coronabedingten Todesfall unter Saisonarbeitern gekommen ist, in einem Betrieb der Fleischindustrie in Pforzheim ein Fünftel der ausländischen Mitarbeiter an Corona erkrankt sind, stellt sich insbesondere uns LINKEN die Frage, wie eine nachhaltige, krisenfeste und menschenwürdige Landwirtschaft aussehen soll.

Lohnsklaverei zur Wertschöpfung

Besonders in den Bereichen Obst und Gemüse, speziell auch bei Hopfen-, Wein- und Spargelanbau, ist die deutsche Landwirtschaft massiv abhängig von billigen Saisonarbeitskräften aus dem Ausland, vor allem aus Osteuropa (to-the-point Migration, Arbeitskräfte nach Bedarf, „Flexibilisierung“). Importierte billige Arbeitskraft als Teil unserer Wertschöpfungskette, so könnte man sagen. Man geht für 2016 von knapp 300.000 Saisonarbeitskräften aus, das entsprach 60% der in der Landwirtschaft Beschäftigten. Bei Corona drückt man dann schon mal seitens der Regierung ein Auge zu bei Einreisebeschränkungen, Arbeitszeitregelungen u.v.m, weil unmittelbare ökonomische Fragen nun mal doch wichtiger sind als Menschenleben aus Sicht der Verantwortlichen.

Unsere Wirtschaft missbraucht die Freizügigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der EU für Kosteneinsparungen, Profitmaximierung und Rendite. Der Lebensmitteleinzelhandel und Verarbeiter wie Cargill drücken eh schon massiv den Preis, dieser Preisdruck wird über die Erzeuger an die Saisonarbeiter weitergegeben. Von Umwelt und Tierwohl ganz zu schweigen!

Es wird von Arbeitsbedingungen, Schutzmaßnahmen und -regeln auf dem Papier gesprochen, die niemand auf Einhaltung kontrolliert oder schlichtweg nicht geahndet werden, wenn sie nicht eh zu kurz greifen wie bei der Belegung der Zimmer von Saisonarbeitskräften (statt acht Betten vier, wären immer noch drei zuviel für ein Zimmer).

Nur mit fairer Bezahlung und fairen Arbeitsbedingungen können (auch) einheimische Saisonarbeitskräfte mobilisiert werden. Für Ausnahmefälle wie die aktuellen ist auch zu diskutieren, ob anrechnungsfreie Zuverdienstmöglichkeiten ausgeweitet werden könnten (z.B. Studenten als Saisonarbeiter). Die Arbeit muss freiwillig getan und anständig entlohnt werden. Und jede Ausnahme muss zeitlich befristet, klar begründet und rechtens sein, zum Beispiel mit Blick auf die Versorgungssicherheit.

Das betrifft jedoch über Saisonarbeitskräfte hinausgehend auch zahlreiche andere Tätigkeitsfelder in der Ernährungswirtschaft. Zu nennen sind Schlacht- und Zerlegebetriebe ebenso wie die Backwarenindustrie, in der ausländische Arbeitskräfte eingesetzt werden.

All inclusive – der Preis ist immer hoch

Wenn das Essen teurer wird, können sich Menschen mit niedrigem Einkommen selbiges nicht mehr leisten. Wenn das Essen billig ist, geht es zu Lasten von anderen Menschen, Tierwohl und Umwelt. Der Preis ist immer hoch, nur der Fokus ist ein anderer.

Der freie Markt funktioniert nicht. Denn die Handelspartner, zum Beispiel selbstständiger Bauer versus ALDI, stehen nicht auf Augenhöhe zueinander, da braucht es staatliche Intervention.

Exportfokus bedeutet Unterbietungswettkampf am Weltmarkt – sozial, ökologisch, ökonomisch.

Mit Blick auf die Gewährleistung der Versorgungssicherheit fordert DIE LINKE eine Priorisierung auf landwirtschaftliche Kulturen, die vornehmlich der Grundversorgung und gesunden Ernährung dienen, Sonderkulturen wie Spargel sind nachrangig zu betrachten. Überdies sind sofortige Schutzmaßnahmen und Lohnzuschlag für die Saisonarbeitskräfte zu ergreifen! Dazu zählt es auch zwingend, im Rahmen von Corona Handlungsanweisungen und -empfehlungen in den jeweiligen Landessprachen und gegebenenfalls auch mündlich zur Verfügung zu stellen. Gewerkschaften und Initiativen im Rahmen der fairen Landarbeit müssen ungehindert Zutritt zu den Betrieben erhalten, um auch vor Ort helfen und bei der Einhaltung der Schutzmaßnahmen unterstützen zu können.

Keine exzessiven Arbeitszeiten. Keine Sammelunterkünfte sondern Einzelunterbringung. Ebenfalls keine Sammeltransporte. Schutz- und Infektionsschutzmaterialien bereitstellen sowie angemessene Hygieneeinrichtungen. Und all das, ohne es den Beschäftigen in Rechnung zu stellen, ohne dass es von den Löhnen runtergeht und eingepreist wird in die Arbeit. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sind außerdem aufgefordert, deutlich höhere tarifliche Entgelte auszuhandeln. Auch einheimische Saisonarbeitskräfte sollen durch faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen mobilisiert werden. Die eigene Gesundheit und körperliche Unversehrtheit der abhängig Beschäftigten in den Betrieben muss immer gewährleistet sein; das gilt für alle abhängig Beschäftigten.

Entsprechend dem Arbeitszeitgesetz soll es auch in der Landwirtschaft als systemrelevanten Beruf eine steuerfreie Erschwerniszulange in Höhe von 25 % geben. Während auch die Erzeugerpreise nachhaltig kostendeckend werden müssen.

Arbeitgeber müssen eine angemessene soziale Absicherung gewährleisten.

Verstärkung der Kontrollen von Arbeits-, Unterbringungs- und Entlohnungsbedingungen, insbesondere auch die Lohnzahlungen.

Die Beschäftigten brauchen in der aktuellen Situation Schutz vor Überforderung durch Regelungen zur Aufweichung gesetzlicher Ruhepausen und -zeiten. Keine Ausnahmen aufgrund von § 14 Absatz 4 des Arbeitszeitgesetzes, der durch Artikel 8 des Gesetzes vom 27. März 2020 angefügt worden ist;

Die Bundesrepublik Deutschland muss endlich die ILO-Konvention 184 (Übereinkommen über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft) ratifizieren gegen Sozialdumping und für angemessenen Schutz der landwirtschaftlichen Arbeitnehmerinnen und -nehmer.

Aufhebung des Arbeitsverbots für Asylbewerberinnen und -bewerber.

Die Flexibilität, die die Wirtschaft von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fordert, erfüllt sie selbst nicht. Auf eine Krisensituation wie Corona kann unsere bisherige Wirtschaftsweise nicht ansatzweise angemessen reagieren. Ausgeweitete Arbeitszeitregelungen, kaum einhaltbare Hygienestandards, zu wenige Arbeitskräfte und zunehmende Beschneidung der Rechte der Beschäftigten bis hin zu populistischen Forderungen von Rechtsaußen, wenn es heißt, man solle doch Hartz-IV-Empfänger zur Feldarbeit verdonnern. 

Gerade jetzt braucht es DIE LINKE, gerade jetzt braucht es nachhaltige Lösungen statt Gießkannenprinzip und Symbolpolitik!

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