Die Themen Rüstung und Krieg sind nicht nur Sache der Bundestagsfraktion, sondern sie können und müssen auf jeder Ebene in unsere Politik mit einfließen. Bei jeder Forderung vor Ort – Bau von Sozialwohnungen, bessere Finanzierung von Pflegeeinrichtungen, mehr Geld für ein Kindertheater – gehört dazu: „Geld wäre da, wenn wir es nicht unsinnig für den Tod ausgeben.“ Insofern bildet Friedenspolitik eine wichtige Argumentationshilfe bei allen sozialen Forderungen.

Gerade in Niedersachsen müssen wir uns darüber klar sein, dass wir in der Heide einen der größten Truppenübungsplätze in Deutschland beherbergen, dass wir mit Rheinmetall in Unterlüß einen bedeutenden Rüstungsbetrieb vor Ort haben, dass der Fliegerhorst Wunstorf und die Logistikschule Garlstedt eine wichtige Rolle für internationale Einsätze spielen und dass an unterschiedlichen Standorten ein manchmal großer Teil der Bevölkerung bei der Bundeswehr beschäftigt ist. Aus Wittmund flogen sechs Jagdbomber zum Manöver in Israel.

Deutschland übernahm im Januar die Führung der 2014 ins Leben gerufenen „Very High Readiness Joint Task Force“ (VJTF) der NATO. Der erste Test steht im nächsten Jahr bevor: bei dem Manöver „Defender 2020“ im April und Mai soll Deutschland als „Drehscheibe“ fungieren und das betrifft vor allem Niedersachsen. 37.000 Soldaten und Material aus den USA werden von hier aus nach Polen und in die drei baltischen Länder Litauen, Lettland und Estland weiterverteilt. 20.000 werden dazu aus den USA eingeflogen und eingeschifft, die größte Anzahl die seit einem Vierteljahrhundert für eine einzelne Militärübung verlegt wurde. Außer einer Bundeswehrunterstützung „in den Bereichen Kampf, Kampfunterstützung und Führung“ ist der Aufbau dreier „Convoy-Support-Zentren“ und einer großen Tankanlage geplant. Letztere soll auf dem Truppenübungsplatz Bergen in der Lüneburger Heide entstehen. Brücken, Straßen, Schienenwege und  Binnenschifffahrt werden auf ihre Belastbarkeit getestet. Behinderungen des zivilen Lebens und Umweltbelastungen stehen bevor. 

Vor allem aber wird eins belastet: die internationalen Beziehungen, insbesondere zu Russland. 1994 wurde Russland im NATO-Russland-Vertrag zugesichert, dass keine NATO-Truppen dauerhaft an seinen Grenzen stationiert werden sollen. Dies wird seit Jahren so ausgelegt, dass die NATO ihre rund um Russland stationierten Truppen regelmäßig jedes halbe Jahr austauscht, das Material bleibt vor Ort. Merkwürdige Auffassung von Vertragstreue!  

Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion Die Linke sagte: „Die geplante Großübung ist ein Säbelrasseln der schlimmsten Kategorie und reine Eskalation.“ und weiter: „Das einzig akzeptable Manöver zur Verlegung von Truppenteilen wäre ein Abzug der US-Atomraketen aus Deutschland, am besten mit Kurs direkt in eine Abrüstungsanlage.“ Hiermit spricht er ein weiteres Problem an, das uns in Niedersachsen beschäftigen muss, auch wenn es nicht „vor Ort“ stattfindet: die neuerliche Bedrohung des Friedens durch Zerbröseln der Atomaren Sicherheitsarchitektur (Kündigung des INF-Vertrages zur Abschaffung der Mittelstrecken-Atomwaffen in Europa, Gefahr, dass der New Start Vertrag zur Begrenzung der Zahl der Strategischen Atomwaffen 2021 auslaufen würde, wenn er nicht rechtzeitig verlängert wird) und die andauernde Anwesenheit von Atomwaffen auf deutschem Boden.

Gerade die derzeitigen Klimaproteste fordern uns heraus, die Argumentation „Krieg ist der größte Klimakiller“ in die Bewegungen einzubringen.

Ich denke, es ist unsere Aufgabe als LINKE, das Bewusstsein für all diese Probleme zu schärfen und Widerstand zu unterstützen, sowie ggf. zu organisieren. Wir möchten deshalb endlich eine LAG Frieden und internationale Politik für Niedersachsen ins Leben rufen. Ziel soll sein, unsere Mitglieder zu qualifizieren, ihnen zu helfen, in lokalen Friedensaktivitäten mitzuarbeiten oder solche anzuregen, und den Kreisverbänden Hinweise zu geben zu aktuellen Themen, die ihr Engagement erfordern.

Agnes Hasenjäger

Eine Idee zu “Wir sind Friedenspartei – aber was heißt das für uns?

  1. Reiner Raddatz sagt:

    Hallo Agnes (an Liebe Genossin werde ich mich wohl nicht mehr gewöhnen)
    Dein Beitrag über Rüstung und Krieg entspricht meinen Erfahrungen.

    Als ich 1961 mit der Musterung die Einladung bekam, mir das Ehrenkleid der Nation anzuziehen, entschloss ich mich, den Kriegsdienst zu verweigern. Damals noch nicht so einfach wie heute.
    Mit Bezug zur Religion wäre mir das leicht auch gelungen.
    Die Kommission stellte mich vor eine Situation, in der ich entscheiden sollte, ob ich meine Freundin in einem dunklen Park auch mit Anwendung von Gewalt gegen einen Angreifer verteidigen könne. Mit Gewalt die zum Tot des Aggressors führen könnte.
    Klare Antwort von mir: „Ja“. Ich wollte nicht sagen, was die Kommission von mir erwartete.
    Darauf habe ich es ankommen lassen und mir die nächste zwei Jahre schwer gemacht.
    Letztlich kam ich mit meiner störrischen Haltung vor dem Gericht doch Recht.

    Während der Friedensbewegung Anfang der 80er führte ich unzählige Gespräche mit meine „Gegnern.“ Sie ließen sich nicht überzeugen. Weder von dem angehäuften Atomwaffen beider Seiten, noch von der westlichen Strategie der Nato für den Verteidigungsfall, die unser Land zum Schlachtfeld gemacht hätte.
    Von den eingeladenen Soldaten war das nicht zu erwarten. Von der zufriedenen Bevölkerung ließen sich auch nur wenige überzeugen.

    Jahrzehnte sind seitdem Vergangen. Was hat sich geändert?
    Das sagte man mir an Werbeständen verschiedener NGO´s und
    seit kurzem bei Werbung für Die Linke
    – Die Kriegsgefahr kommt aus dem Osten, aus Russland! – keine geänderte Einsichten.
    – Wir müssen aufrüsten. Die 2% vom Bsp sind wohl angemessen.
    – Frieden ohne unseren Waffenbruder USA ist nicht möglich.
    – Austritt aus der Nato und/oder Neutralität ist illusorisch.
    – Herstellung und Handel mit Waffen notwendig. (Sonst machen es die Anderen)

    Wer aber freundlich bleiben wollte, lächelt mich an und geht weiter.
    Die Welt habe ich mit meinen Friedenswerbungen nicht verändern können.
    Trotzdem – ich verstehe mich nicht – will ich meinen Traum nicht aufgeben.

    Reiner Raddatz
    Neumitglied der Linken

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