Welche Probleme sehen wir in der Wohnungsfrage? Was kann dage- gen getan werden? Diese Fragen waren der Ausgangspunkt unse- rer Überlegungen. Viele Gesprä- che mit Betroffenen bestätigten uns: Die Wohnungsfrage ist eine der sozialen Fragen unserer Zeit. Lüneburg hat mit die teuersten Mieten in ganz Niedersachsen. Nach zum Teil investigativen Re- cherchen zur Wohnungssituation, entwarfen wir ein Wohnkonzept welches Ursachen, Probleme und Lösungsansätze für Lüneburg for- mulierte. Es wurde im Kreisver- band mit den Mitgliedern beraten und gemeinsam verabschiedet. In einer Pressekonferenz stellten wir es der Öffentlichkeit vor. Nun standen wir vor der Frage, wie um- setzen?

Die Frage nach Handlungsmög- lichkeiten ist auch eine des Politik- verständnisses. Wir wollten keine Stellvertreterpolitik machen, in der wir für andere die Probleme lösen. Stattdessen war der An- spruch: auf Augenhöhe mit Betrof- fenen gemeinsam ihre politische Selbstermächtigung zu organisie- ren. Sie sollten durch praktische Erfahrung Fähigkeiten entwickeln, um selbstständig für ihre Inter- essen eintreten zu können. Das

strategische Ziel hierbei: die kurz bis mittelfristige Verbesserung der Lage Betroffener, durch die Betroffenen selbst. Dies soll er- reicht werden durch gemeinsame soziale Kämpfe, die die Eigentums- und Machtverhältnisse in Frage stellen. Wichtig ist anfangs nicht die politische Maximalforderung, sondern gemeinsam mit Betroffe- nen den Kampf aufzunehmen, um dann gemeinsam die Ursachen für die aufgeworfenen Probleme zu ergründen, Zusammenhänge auf- zudecken und weitreichende Lö- sungsansätze zu entwickeln. Von der Empörung über den Schimmel in Wohnungen bis hin zu der Infra- gestellung großer Immobilienkon- zerne, welchen es nur um Rendite geht. Der außerparlamentarische Druck nimmt so auch Einfluss auf die parlamentarische Arbeit. Die Berliner Enteignungsdebatte rund um „Deutsche Wohnen“ ist ein gutes Beispiel hierfür, hat sie den Mietendeckel doch erst möglich gemacht.

Von diesem Verständnis aus grün- deten wir mit Betroffenen eine Mieter*inneninitiative. Wir unter- stützen diese organisatorisch und inhaltlich, sie bleibt jedoch politisch selbstständig. Entschei- dend ist die Vernetzung der Ini-

tiative mit vorhandenen Akteuren, um für ein gemeinsames Ziel zu- sammenarbeiten zu können. In Lüneburg gründete sich durch diese Kooperation das „Netzwerk Lüneburg sozial“ aus vielfältigen Akteuren, wie Gewerkschaften, Studierendenschaft, Wohnprojek- ten und Sozialverbänden. Ziel ist eine Wende der Wohnungspolitik in Lüneburg, weck von der Rendi- teorientierung, hin zu Wohnen als Menschenrecht. Die Gründung des Bündnisses kann den Beginn einer verbindenden Klassenpolitik darstellen, denn die Unterschiede treten hinter das gemeinsame der Akteure zurück. Der individuelle Unmut, wird zum gemeinsamen aktiven Widerstand.

Entscheidend sind hierbei der au- ßerparlamentarische Ansatz und die Selbstorganisation Betroffe- ner. Strukturen der Gegenmacht- und Öffentlichkeit werden durch Netzwerkarbeit geschaffen. Schon mit der Aufrichtung und Politisie- rung von Menschen realisieren wir eine andere Gesellschaft. Zudem wird damit die Grundlage für wirk- same parlamentarische Initiative erst geschaffen.

Janis Wisliceny

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